Wie linke Narrative Klimaschutz verhindern
Die Zerstörung von Lützerath für den Kohleabbau zeigt erneut, wie weit Deutschland von einer klimaneutralen Wirtschaft entfernt ist. Dass in Deutschland so wenig Klimaschutz umgesetzt wird, liegt unter anderem daran, wie wir über Klimaschutz sprechen.
Konservative haben erfolgreich Narrative verbreitet, die Mehrheiten für Klimaschutz verhindern. Progressive haben sich diese Narrative angeeignet, statt die positive Vision einer klimaneutralen Zukunft aufzuzeigen.
Konservatives Narrativ: Klimaschutz kostet Wohlstand
Konservative positionieren sich in der Klimadebatte als Wohlstandsbewahrer. Dass sie damit nur Wohlstand für die fossile Industrie meinen, verschweigen sie natürlich. Klimaschutz wird in konservativer Kommunikation zur Bedrohung von Wohlstand. Das konservative Narrativ gegen Klimaschutz lautet wie folgt:
Klimaschutz kostet Geld und bedeutet Verzicht. Wenn wir Klimaschutz machen, verlieren wir Wohlstand. Klimaschutz macht uns ärmer.
Dieses Narrativ ist stark, denn es gibt keine politische Strömung, die nicht Wohlstand zum Ziel hat (auch wenn die Ansichten darüber, wer in Wohlstand leben sollte, auseinander gehen). Die Beseitigung von Mangel und Armut ist der Grund, warum wir überhaupt wirtschaften. Keinen Wohlstand zu wollen wäre absurd.
Gleichzeitig aktiviert das Narrativ Angst vor Armut. Auch für Menschen in Deutschland, denen es gut geht, ist die Angst vor Verschlechterung der ökonomischen Verhältnisse real. Vor diesem Hintergrund wird Klimaschutz zur Gefahr.
Progressive Reaktion: Wohlstand ist unwichtig
Konservative drängen mit ihrer Kommunikation Progressive in die Rolle der Wohlstandsverweigerer – und Progressive nehmen sie an. Statt Klimaschutz die Rolle der Wohlstandsgarantie zu geben, bestätigen sie die konservative Idee von „Klimaschutz als Wohlstandsverzicht“.
Es gibt aktuell kaum progressive Narrative, die eine positive Verbindung zwischen Wohlstand und Klimaschutz herstellen. Es wird höchstens davor gewarnt, dass durch mangelnden Klimaschutz die Lebensgrundlage für zukünftige Generationen zerstört wird. Stattdessen nutzen Progressive eine Reihe anderer Narrative, die den Zusammenhang verdecken, individuelles Verhalten betonen und dadurch konservative Werte stärken. Hier sind drei Beispiele:
1. Klima retten: Klimaschutz als Heldentat
Egal ob auf Demonstrationen, in der Werbung oder in den Medien: „Rettet das Klima“ ist zu einem der Leitsprüche des ökobewussten Mainstreams geworden. Der Spruch ergibt metaphorisch keinen Sinn, denn er blendet aus, dass der Mensch in der menschengemachten Klimakrise Täter, Opfer und Retter zugleich ist. Wenn man den Spruch ausformulieren würde, würde er heißen: „Rettet das Klima vor den Menschen“. Der Spruch lenkt von den Ursachen und vom Zweck des Klimaschutzes ab: Die Rettung der Menschheit und ihrer Lebensgrundlagen. Diese Erzählung findet zwar zunehmend statt, jedoch fehlen eingängige Phrasen, die „Klima retten“ ablösen.
2. Für’s Klima: Klimaschutz aus Altruismus
Der Ölkonzern BP hat in den 2000er Jahren den ökologischen Fußabdruck populär gemacht und damit die Verantwortung der fossilen Industrie auf Verbraucher:innen abgewälzt. Zum Glück ist das immer mehr Menschen bekannt. Dennoch sprießen CO₂-Rechner und Kompensations-Services wie Pilze aus dem Boden und kein Werbespruch kommt mehr ohne den Nachsatz „gut für’s Klima“ aus. Das dahinterliegende Narrativ wird weiter gefestigt: Klimaschutz bedeutet, dass der Mensch selbstlos etwas für das Klima tut. Der Mensch selbst hat dadurch keinen Vorteil, außer ein gutes Gewissen. Erneut bleibt der wesentliche Sinn und Zweck von Klimaschutz verdeckt: Der Erhalt und die Verbesserung unserer Lebensqualität. Statt „gut für’s Klima“ sollte hinter jedem CO₂-neutralen Produkt „gut für uns“ stehen.
3. Weniger ist mehr: Klimaschutz durch Verzicht
Progressive nehmen ständig den Verzichtsvorwurf der Konservativen an und reagieren, indem sie Verzicht verherrlichen. Verzicht wird als Chance gesehen, sich auf das Wesentliche zu besinnen und zu hinterfragen, was man wirklich braucht. Was philosophisch klingt, entpuppt sich häufig als Konsumkritik aus privilegierten Kreisen. Viele Menschen verzichten bereits – nicht aus Tugend, sondern aus Not. Es waren fehlender Klimaschutz und mangelnde Sozialpolitik in den vergangen Jahrzehnten, die Menschen heute dazu zwingen, bei Grundbedürfnissen wie Nahrung, Heizen und Energie Abstriche zu machen. Der Aufruf zum Verzicht festigt das konservative Narrativ, dass Klimaschutz Wohlstand schmälert.
Raus aus der Defensive: Klimaschutz schafft Wohlstand
Mit dem Voranschreiten der Klimakrise leuchtet es mittlerweile auch immer mehr Konservativen ein, dass Wohlstand nicht ohne Klimaschutz auskommt. Progressive Kommunikation sollte jetzt nicht erneut den Fehler machen, konservative Narrative zu übernehmen und Klimaschutz als notwendiges Übel darzustellen. Es wird Zeit, Konservative als Wohlstandsverweigerer zu enttarnen und die Verzichtsdebatte durch positive Wohlstandserzählungen zu ersetzen.
Wohlstandszerstörung durch konservative Politik aufzeigen
Progressive sollten aufzeigen, wie konservative Politik seit Jahrzehnten Wohlstand zerstört und Lebensbedingungen verschlechtert, nicht nur für zukünftige Generationen, sondern auch im Hier und Jetzt:
Konservative Politik macht Deutschland von diktatorischen Staaten abhängig, sodass Verbraucher:innen viel Geld für schmutzige Energie zahlen müssen. Sie zerstört ganze Dörfer und funktionierende Windparks für Kohlekraftwerke, die nicht zukunftsfähig sind. Sie macht durch falsche Anreize und Subventionen Böden unfruchtbar, sodass Ernten ausfallen und Lebensmittel teuer importiert werden müssen. Sie baut öffentlichen Nahverkehr ab und macht Menschen vom Auto abhängig. Sie gibt Deutschlands Vorreiterrolle im Bereich der erneuerbaren Energien auf und vernichtet dadurch Arbeitsplätze.
Indem Progressive das konservative Wohlstandsnarrativ ins Wanken bringen, können sie selbst die Rolle der Wohlstandsschützenden einnehmen. Noch wichtiger ist es jedoch, dass Progressive positive Wohlstandserzählungen und Zukunftsvisionen entwickeln und verbreiten.
Verteilung von Macht und Wohlstand fordern
Inzwischen hört man im öffentlichen Diskurs immer öfter, dass Superreiche und Konzerne das meiste CO₂ ausstoßen und die meisten Ressourcen verbrauchen. Das können sie nur, weil die Politik es zuließ, dass sich Geld und Macht bei ihnen konzentriert. Progressive sollten deshalb in der Diskussion nicht bei CO₂-Werten verharren, sondern Machtkonzentration als Ursache für die Klimakrise betonen.
Gleichzeitig sollten sie ständig wiederholen, dass Wohlstand für alle möglich ist, wenn wir aufhören Ressourcen zu verschwenden und sie gleichmäßiger verteilen. Diese Erzählung nimmt dem konservativen Verzichtsvorwurf den Wind aus den Segeln. Konservative können nicht länger behaupten, dass Progressive gegen Wohlstand sind.
Von Verzicht zu Wohlstand für alle
Ein progressives Klimaschutznarrativ stellt zudem das positive Ergebnis der sozial-ökologischen Transformation in den Vordergrund: Saubere Luft, pünktlicher und bequemer ÖPNV, Unabhängigkeit vom Auto, günstige und lokal produzierte Energie, gesunde und frische Lebensmittel.
Auch wenn der Weg dorthin mit Änderungen von Gewohnheiten verbunden ist, sollte sich progressive Kommunikation auf das positive Ergebnis konzentrieren. Verzicht und Anstrengung im Klimaschutz sind kein Selbstzweck, sondern haben die Verbesserung des Status Quo als Ziel. Die Verbesserung muss in der Kommunikation klar benannt und lebensnah vermittelt werden, um einerseits Menschen mitzunehmen und andererseits Konservativen wenig Angriffsfläche zu bieten. Konservative werden weiterhin Erzählungen von Verzicht und Wohlstandsverlust verbreiten, um progressive Maßnahmen zu verhindern. Progressive sollten diese Erzählungen weder vorwegnehmen noch bestätigen.
Wohlstand schützen statt Klima retten
Die Klimakrise wird immer bedrohlicher. Aber gerade deshalb sind Erzählungen von einer positiven Zukunft jetzt wichtig. Wir wissen nicht, wo Klimaschutz in Deutschland heute stehen würde, wenn er von Beginn an als Wohlstandsgarant kommuniziert worden wäre. Aber wir wissen, dass Lösungen und Vorteile überzeugender sind und progressiven Werten mehr entsprechen als Erzählungen von Katastrophen und Verzicht. Weitere Infos und Beispiele dazu findet ihr in unserem Leitfaden.
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