Planwirtschaft von Milliardären

Wie erreicht man Menschen, die die Vermögensungleichheit aus konservativer Perspektive betrachten?

Immer wieder wird von progressiver Seite auf die wachsende Ungleichheit in unserer Gesellschaft hingewiesen, die man mit einem modernen Robin-Hood-Narrativ lösen will: Es sei notwendig von den Reichen zu nehmen, um den Armen zu geben.

Das Problem dieses Narrativs ist, dass es progressive Gerechtigkeit durch konservative Ungerechtigkeit herstellen will. Aus progressiver Perspektive ist es gerecht, die Existenz aller Menschen zu sichern, unabhängig davon wie viel sie leisten. Um diese Gerechtigkeit herzustellen, soll das Geld der Reichen genommen werden, weil sie genug davon haben. Das widerspricht allerdings der konservativen Perspektive. Denn konservativ betrachtet haben es Reiche verdient, reich zu sein und zu bleiben, weil sie dafür mehr leisten als andere. „Ihr bestraft die Starken und belohnt die Schwachen“ warf der Vorsitzende der jungen Union seinen politischen Gegnern in einer Lanz Sendung vor. Die Existenzsicherung wird gegen das Leistungsprinzip ausgespielt.

Mit dem Robin-Hood-Narrativ wird es für die progressive Seite deshalb schwer, Stimmen für Umverteilung zu gewinnen. Zum einen weil reichen Menschen aus konservativer Perspektive mehr Leistung zugesprochen wird. Zum anderen weil auch aus progressiver Perspektive Leistung belohnt werden sollte.

Schon in unserem ersten Livestream zur Erbschaftsdebatte haben wir ein progressives Narrativ vorgeschlagen, das das Problem extremer Vermögen besser kommuniziert: Mit hohen Vermögen geht immer hoher Einfluss einher und das gefährdet unsere Demokratie. Denn Demokratie bedeutet eine gleichberechtigte Herrschaft des Volkes. Auch wenn uns dieses Narrativ mittlerweile häufiger in Umverteilungsdebatten begegnet, merken wir auch, dass es häufig bei diesem einen Argument bleibt. Dabei bietet die progressive Perspektive auf extremen Reichtum viel mehr als nur dieses eine Narrativ.

Im Narrativ Podcast haben wir zum Beispiel aufgezeigt, wie wichtig es ist, die Entstehung von Reichtum aus progressiver Perspektive anzusprechen. Aus progressiver Perspektive entstehen Milliardäre, weil die Mitarbeitenden in ihren Unternehmen nur einen Bruchteil des Gewinns aus ihrer Arbeit erhalten. Arbeit lohnt sich nicht, weil Gewinne automatisch beim Unternehmer landen. Wenn Profite steigen, aber Löhne stagnieren, geht das Geld automatisch an die Spitze der Hierarchie, also dem Eigentümer. Extremer Reichtum entsteht progressiv gesehen deshalb nicht durch den Lohn aus der eigenen Arbeit, sondern durch die Gewinne aus der Arbeit anderer.

Diese Perspektive ist aktuell nicht die dominante Perspektive auf Reichtum in unserer Gesellschaft, aber sie hat großes Potenzial, weil sie viele persönliche Anknüpfungspunkte hat. Die allermeisten Menschen sind angestellt, gehen unsicher in Gehaltsverhandlungen, wurden von Chefs ungerecht behandelt und finden zurecht die kleine Zahl auf ihrem Gehaltscheck am Ende des Monats ungerecht. Es liegt an der progressiven Seite ihre Perspektive auf die Entstehung von Reichtum zu kommunizieren. Je mehr Menschen progressiv auf die Vermögensungleichheit blicken und erkennen, dass ihr fehlendes Geld bei den Eigentümern liegt, desto wahrscheinlicher wird die Umsetzung progressiver Maßnahmen bei der Vermögensverteilung.

Planwirtschaft von Milliardären

Was von progressiver Seite in der Reichtumsdebatte noch gar nicht versucht wurde, ist konservative Ideale direkt herauszufordern und sie progressiv zu reframen. Denn die Existenz von Milliardären hat eine Auswirkung, die eigentlich auch aus konservativer Perspektive negativ bewertet wird: Milliardäre hebeln den Marktmechanismus aus.

Sobald von progressiver Seite mehr finanzielle Handlungsfähigkeit des Staats gefordert wird, dauert es nicht lange bis die konservative Seite ihr Planwirtschaft vorwirft. Dieses Reframing kann genau so gut von progressiver Seite genutzt werden. Denn wer gegen eine zentrale Planung der Wirtschaft durch wenige Menschen in einer autoritären Regierung ist, kann nicht für eine zentrale Planung der Wirtschaft durch wenige Milliardäre in Großkonzernen sein.

Milliardäre zerstören den Markt, weil sie mit ihren unverhältnismäßigen Investitionsmöglichkeiten Angebot und Nachfrage verzerren. Es entscheidet nicht mehr die Nachfrage der Bevölkerung, sondern die riesigen privaten Investitionen und Entscheidungen weniger Milliardäre, was produziert und angeboten wird. Ihre enormen Finanzkapazitäten zerstören den Wettbewerb zwischen allen kleinen und mittelständischen Unternehmen und bündeln Arbeitskräfte in sinnlosen Luxusindustrien und -branchen, die es ohne die Nachfrage von Milliardären gar nicht gäbe. Es gibt bereits die Planwirtschaft der Milliardäre. Wer also den „freien Markt“ schützen will, muss das Angebot und die Nachfrage vor extremer Verzerrung durch einflussreiche Einzelpersonen und Monopole schützen.

Aus progressiver Perspektive ist Planwirtschaft weder von autoritären Regierungen, noch von autoritären Milliardären gewünscht. Ein freier Markt zwischen gemeinschaftlich geführten Unternehmen in Mitarbeitereigentum ist keines von beiden. Das progressive Ziel ist die Demokratisierung der Wirtschaft, also die Abschaffung autoritärer Strukturen, um die Selbst- und Mitbestimmung aller Menschen auf Arbeit zu maximieren.

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