3 Gründe warum die Kommunikation von „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ erfolgreich war

Viele von euch fragen uns nach Beispielen für gute progressive Kommunikation. Wir nennen gerne die Kampagne „Deutsche Wohnen & Co enteignen“. Sie hat zu einem erfolgreichen Volksentscheid geführt, den Diskurs verschoben und eine ganze Bewegung inspiriert. Wir zeigen euch drei Faktoren, die ihre Kommunikation erfolgreich gemacht hat.

1. Klares Ziel und konkrete Lösung

Ein Erfolgsfaktor war, dass die Kampagne der Öffentlichkeit ein klares Ziel und eine konkrete Lösung angeboten hat:

  • Ziel: Wohnungen großer profitorientierter Immobilienunternehmen wie Deutsche Wohnen zu öffentlichem Eigentum machen (Vergesellschaftung)
  • Lösung: Ein Volksentscheid, der den Berliner Senat dazu verpflichtet

So hatten Bürger:innen einen direkten Weg, die Kampagne zu unterstützen, zum Beispiel mit ihrer Stimme oder indem sie Unterschriften sammelten. Das machte den Volksentscheid auch interessant für die Presse: Selbst überregionale Medien berichteten über die Kampagne, weil neue unkonventionelle Lösungen spannender sind als das altbekannte Mietenproblem.

Eine Glastür, an der ein Flyer klebt. Auf dem Flyer steht: „Deutsche Wohnen & Co enteignen! Hier unterschreiben“
Mit 360.000 Unterschriften erreichte die Kampagne mehr als genug für den Volksentscheid. Foto von Moises Gonzalez auf Unsplash

2. Ein Name, der das Anliegen transportiert

Obwohl die Kampagne „enteignen“ im Namen trägt, fordert sie keine klassische Enteignung gemäß Artikel 14 im Grundgesetz. Stattdessen fordert sie die sogenannte „Vergesellschaftung“ aus Artikel 15:

Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden. Für die Entschädigung gilt Artikel 14 Abs. 3 Satz 3 und 4 entsprechend.

Für die Kampagne war das aber zweitrangig, denn die wenigsten Menschen hatten bis dahin von „Vergesellschaftung“ gehört. Und die wenigsten Menschen lesen Gesetzestexte. „Enteignen“ ist deutlich geläufiger als „vergesellschaften“ und kann deshalb das Anliegen besser transportieren.

„Deutsche Wohnen & Co“ im Namen machte zudem klar, wer enteignet werden soll. Das ließ wenig Spielraum für die gängige Angstmacherei, dass kleine private Vermieter:innen ihr Eigenheim oder ihre Altersvorsorge verlieren. Da die Presse zuvor negativ über Deutsche Wohnen berichtet hatte, hatten viele Menschen schon einmal vom Immobilienkonzern und dessen schlechten Umgang mit Mietenden gehört. Der Name „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ versprach deshalb Gerechtigkeit – obwohl Enteignung lange Zeit ein Tabu war und immer noch auf Ängste stößt.

3. Verbindende Werte statt Zahlen und Fakten

Auch die Kernbotschaften konzentrierten sich nicht auf Gesetzestexte. Sie präsentierten auch nicht jede Menge Fakten und Statistiken zur Mietsituation in Berlin. Stattdessen stellten sie die Sorgen und Sehnsüchte der Betroffenen in den Vordergrund: Ihre Liebe zur Heimat Berlin, ihre Angst sie zu verlieren und dem hilflos ausgeliefert zu sein.

Der zentrale Slogan lautete: „Damit Berlin unser Zuhause bleibt.“ Er war das Ergebnis aus mehreren Iterationen und Message Testing mit internen und externen Zielgruppen. Andere Botschaften stellten eine lebenswerte Stadt oder bezahlbare Mieten in den Vordergrund. Die Ansprache erfolgte mit „wir“. Das machte stets deutlich, wofür man kämpft und dass man dabei nicht alleine ist.

Eine Hand hält einen Flyer der Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen. Auf dem Flyer steht: „Für eine Stadt mit bezahlbaren Mieten für alle.“
Mit wertezentrierten, nahbaren Botschaften überzeugte die Kampagne über eine Million Berliner:innen. Foto von Moises Gonzalez auf Unsplash

Ergebnis: Ein veränderter Diskurs und eine gestärkte progressive Bewegung

59,1% der Berliner:innen stimmten im September 2021 für die Vergesellschaftung. Bis der Berliner Senat sie umsetzt, dauert es noch eine Weile. Aus Kommunikationssicht ist der Volksentscheid bereits jetzt ein Erfolg und Vorbild für andere progressive Kampagnen:

  • Die Kampagne hat das Enteignungstabu gebrochen und zum ersten Mal seit Jahrzehnten aufgezeigt, dass es eine Alternative zum profitorientierten Wohnungsmarkt gibt: Vergesellschaftung bzw. öffentliches Eigentum.
  • Seit der Kampagne wird privates Eigentum in Bereichen wie Wohnen, Gesundheit und Energie zunehmend in Frage gestellt.
  • In den vergangenen Jahren gründeten sich weitere Initiativen außerhalb von Berlin, zum Beispiel RWE & Co enteignen oder Hamburg enteignet.

Die Kampagne zeigt: Progressive Mehrheiten entstehen, wenn ein Thema progressiv besetzt und der Diskurs verschoben wird. Progressive Kommunikation kann das erreichen, egal für welches Thema: Mit konkreten Lösungen, einem klaren Ziel und Fokus auf progressive Werte.

Weitere Positivbeispiele und alle Punkte, auf die ihr achten solltet, findet ihr in unserem kostenlosen Handbuch bzw. in unserer Checkliste.

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